Thursday 9 January 2014

Löw: "Schweizer sind für uns ein sehr guter Gegner", 25.05.2012

Am Samstag spielt die deutsche Nationalmannschaft in Basel gegen die Schweiz, hinter ihr liegen dann 21 Trainingseinheiten und zwei Wochen EM-Vorbereitung. Vor dem Spiel hat Bundestrainer Joachim Löw über seine Eindrücke aus den Trainingslagern auf Sardinien und in Südfrankreich gesprochen.

Joachim Löw über

das Spiel gegen die Schweiz:

Das Spiel gegen die Schweiz kommt zum richtigen Zeitpunkt. Die Schweizer sind für uns ein sehr guter Gegner, sie sind fußballerisch das kleine Holland. Sie spielen sehr geordnet, sehr diszipliniert und sind sehr systemtreu. Sie sind sehr schwer auszuspielen. Die Schweizer Spieler lernen dies sehr früh, dort spielen von der Jugend bis zu den Senioren alle Auswahlmannschaften das gleiche System. Wir werden also auf einen Gegner treffen, der uns viel abverlangen wird.

die Aufstellung gegen die Schweiz:

Ich habe heute mit Andi Köpke und Hansi Flick zusammengesessen, wir haben überlegt, in welche Richtung es gehen kann. Welche Spieler sind 90 Minuten einsetzbar, welche ein bisschen weniger? Ich will jetzt noch das Abschlusstraining abwarten. Heute Abend werde ich die Entscheidung der Mannschaft mitteilen. Bei den Torhütern gibt es eine Tendenz. Bei Julian Draxler wird es wahrscheinlich so sein, dass er zu einem Einsatz kommt. Nicht unbedingt von Anfang an, aber ich glaube, dass er im Laufe des Spiels eine Chance bekommt. Er macht im Training einen sehr guten Eindruck, er ist leichtfüßig, schnell, beweglich. Er ist fußballerisch sehr gut, ich hoffe, dass er das auch auf den Platz bringt. Die Abwehr stellt sich fast von allein auf. Mats Hummels und Per Mertesacker in der Innenverteidigung, rechts Benni Höwedes, links Marcel Schmelzer. Wir müssen abwarten, ob Miroslav Klose einsatzfähig sein wird, er musste hier ja mal eineinhalb Tage pausieren. Wir dürfen bei ihm kein Risiko eingehen, aber natürlich wäre es gut, wenn er von Beginn an spielen könnte. Er braucht Spielpraxis. Bei Mesut Özil und Sami Khedira glaube ich, dass es keine 90 Minuten seien werden. Vielleicht 45 oder 60 oder 70, aber auf keinen Fall die volle Spielzeit, denn die beiden hatten sehr viele Einsätze in dieser Saison.

die Entscheidung für den endgültigen Kader:

Mir wird die Streichung, die erfolgen muss, ein bisschen zu negativ gesehen. Denn die Spieler, die hier sind, haben bei uns die Chance, auf dem allerhöchsten Niveau unter den allerbesten Trainingsbedingungen zu trainieren und zwei Wochen lang bei uns im Fokus zu stehen. Hier wird der eine oder andere junge Spieler vorbereitet auf das, was in Zukunft kommt. Vielleicht nach der EM, vielleicht auch mit Blick auf die nächste WM. Sie wissen, was die Trainer wollen, sie wissen, was die Trainer planen. Die Spieler, die hier dabei sind, haben alle die Möglichkeit, auch in Zukunft bei der deutschen Nationalmannschaft dabei zu sein. Sie alle haben ein unglaublich gutes Niveau. In dem Moment, wo die Entscheidung fällt und mitgeteilt wird, spielt eine gewisse Emotionalität eine Rolle, das ist klar. Natürlich tut es auch mir weh, die Spieler enttäuschen zu müssen. Ich sehe ja, dass hier jeder einzelne zwei Wochen lange mit großem Engagement um die EM-Plätze kämpft.

die Perspektive der Bayern-Spieler:

Es ist jetzt and er Zeit, dass für die Bayern-Spieler Normalität einkehrt. Ich habe mit fast allen Spielern gesprochen, dabei habe ich bei aller Enttäuschung über die Niederlage gegen Chelsea vor allem ihre Vorfreude auf die Nationalmannschaft gespürt. Alle haben von neuen Zielen, von einer neuen Motivation gesprochen. Unsere Gruppe, die gesamte Mannschaft, wir alle freuen uns sehr darüber, dass die Bayern endlich zu uns kommen. Jeder Spieler ist in der Lage, nach ein paar Tagen eine Enttäuschung wegzustecken und nach vorne zu schauen. Das muss er auch. Wir können ja nicht bei der Uefa beantragen, dass die EM eine Woche später angepfiffen wird. Die Spieler werden sich hier relativ schnell einfinden. Und dann geht es ab Montag in vollem Rhythmus weiter.

die Position von Philipp Lahm:

Ich lasse das noch offen. Ich sehe Marcel Schmelzer in einer sehr guten Verfassung. Ich kann mir aber auch vorstellen, mit Philipp Lahm links und mit Benni Höwedes oder Jerome Boateng rechts zu spielen. Auch Sven Bender ist ein Spieler, der durch seine Laufstärke und durch seine Bissigkeit diese Position ausfüllen könnte. Ich werde noch mal mit Philipp sprechen und auch die anderen nochmals beobachten. Mal sehen, wie sich die Außenverteidiger beim Spiel gegen die Schweiz in Szene setzen.

die Trainingsschwerpunkte in den kommenden zwei Wochen:

Am Montag steigen die Bayern-Spieler ins Training ein, dann ist der Kader endlich komplett. Dann stehen mannschaftstaktische Dinge im Vordergrund. In der Offensive, in der Defensive. Schnelles Umschalten, gute Staffelung in der Defensive, gute, kompakte Linien. Feinabstimmung in allen Mannschafsteilen. All die Themen, die wir auch schon bislang immer mal wieder gemacht haben, werden jetzt ganz besonders in den Mittelpunkt rücken.

die politische Situation in der Ukraine:

Wir die Spieler vor dem Turnier noch einmal grundsätzlich über die Verhältnisse und die Situation in der Ukraine und Polen informieren. Wir stehen natürlich ganz klar für die Menschenrechte und andere Werte. Und wir haben immer gesagt, dass die Spieler ihre Meinung äußern können, wenn sie dies wollen. Wir werden in die Ukraine ohne Vorurteile und Vorbehalte reisen. Wir wollen uns der Bevölkerung gegenüber offen und freundlich zeigen. Wir müssen nur eines bedenken, und dass werde ich den Spielern auch noch einmal mitteilen: Wir werden unseren Fokus ganz klar auf das Sportliche richten.

die Teamfähigkeit seiner Spieler:

Alle Spieler, die hier sind, verfügen über eine ausgeprägte Teamfähigkeit. Wenn mir ein Spieler zu egoistisch erscheint würde, dann hätte er bei mir sehr wenig Chancen. Sei er noch so gut. Nur ein funktionierendes Team kann erfolgreich sein und nicht eine Mannschaft aus Individualisten, die tun und lassen, was sie wollen. Alle Spieler, die hier sind, können sich einordnen. Sie sind alle im Umgang untereinander und auch im Umgang mit unserem Team hinter dem Team freundlich, höflich und respektvoll.

die Rolle von Marco Reus:

Ich kann mir gut vorstellen, ihn relativ weit vorne zu sehen. Marco Reus ist ein Spieler, der verschiedene Positionen spielen kann. Er kann links im Mittelfeld spielen, rechts, er kann auch hinter den Spitzen spielen. Aber ich habe ihm auch gesagt, dass wir auf der Position hinter den Spitzen mit Mesut Özil, Mario Götze und Toni Kroos Leute haben, die dort „ihre“ Position haben. Wenn wir mal in Rückstand liegen, kann ich mir Marco auch ganz vorne vorstellen. Er hat dann gute Möglichkeiten, mit seinen schnellen Bewegungen, mit seinem Tordrang und seinem fußballerischen Können. Wenn der Raum eng ist und wir gegen große, athletische Innenverteidiger spielen, kann ich mir ihn ganz vorne vorstellen. Marco läuft auch gut quer, in die Schnittstellen hinein. Er hat dafür ein Näschen. Vielleicht wird das schon gegen die Schweiz zu sehen sein.

die Form von Bastian Schweinsteiger:

Bastian war längere Zeit verletzt. Ähnlich wie bei Miro und bei Per werden wir auch bei Bastian schauen, wie wir ganz individuell mit ihm arbeiten können. Im körperlichen Bereich muss er möglicherweise ein paar Prozente zulegen, wir werden da noch einmal an ein paar Schrauben drehen. Sein Standing innerhalb der Mannschaft ist kein anderes als vor einem halben Jahr. Seit 2010 ist er eine absolute Führungspersönlichkeit.

die Stärken von Ilkay Gündogan:

Er wird morgen die Chance erhalten, zu spielen. Gündogan ist ein guter Fußballer, er spielt die Bälle gut nach vorne. Er ist stark am Ball. Er ist kaum vom Ball zu trennen. Er ist der kleine Schweinsteiger.

die Arbeit von Urs Siegenthaler:

Unmittelbar nach der Auslosung haben wir festgelegt, dass Urs jeden Gegner mindestens zwei Mal sehen muss. Ich verlasse mich zu 100 Prozent auf ihn. Er weiß ganz genau, wie ich denke. Und ich weiß ganz genau, wie er ein Spiel sieht, wie er es analysiert. Seine Analysen haben uns häufig sehr viel in der Beurteilung eines Gegners gebracht. Bei einzelnen Spielern, aber auch der gesamten Spielweise. Das ist auch für unsere Spieler wichtig. Sie bekommen so einen Eindruck, welches System gespielt wird, welche Stärken und Schwächen der Gegner hat. Auch in die Trainingsarbeit fließen seine Erkenntnisse mit ein. Ich möchte keinen Bericht über 50 Seiten von Urs. Ich will nicht wissen, ob ein Spieler 1,82 groß ist, er 84 Kilo hat und ein Linksfuß ist. Das interessiert mich im Grunde nicht. Manchmal arbeiten wir mit Einzelprofilen. Geht Ronaldo häufiger links oder rechts vorbei? Aber im Grunde will ich von Urs ein oder zwei Stärken und ein oder zwei Schwächen von jedem Gegner wissen. Das teilen wir dann der Mannschaft mit.

die Trainingsleistung von Tim Wiese, Ron Robert Zieler und Marc ter Stegen:

Ich sehe sie im Training nicht in jeder Minute. Ich verlasse mich da auf Andi, der die separaten Einheiten mit den Torhütern macht. Aber wir machen auch häufig die kleinen Spielformen, bei denen die Torhüter permanent im Brennpunkt sind. Wenn sie mich fragen, wie ich das bewerte? Überragend, von allen dreien.

die Form von Miro Klose:

Ich hatte Bedenken. Er war verletzt und hat nicht gespielt. Als ich ihn dann im Training erlebt habe, sind meine Sorgen immer kleiner und kleiner und kleiner geworden. Weil der Miro im Training auffallend gut und schnell und dynamisch ist. Er macht insgesamt einen sehr guten Eindruck.

25 May 2012
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