Tuesday 30 July 2013

Löw: "Eine Lehre für alle Zeiten", 17.10.2013

An interview from 17 October 2012

Im Anschluss an das spektakuläre 4:4 im vierten WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden im Olympiastadion Berlin versuchte sich Bundestrainer Joachim Löw in einer ersten Analyse des Geschehenen. DFB.de hat das Pressegespräch aufgezeichnet.

Frage: Joachim Löw, können Sie schon begreifen, was sich beim 4:4 gegen Schweden abgespielt hat?

Joachim Löw: Einen 4:0-Vorsprung aus der Hand zu geben, ist normalerweise nicht möglich. Das ist schwer einzuordnen. Wir haben die große Chance verpasst, in dieser Gruppe eine kleine Vorentscheidung herbeizuführen. Wir haben 60 Minuten überragend gespielt, was die Kombinationen, den Abschluss, die Ordnung, die Disziplin betraf. Die Schweden waren nicht vorhanden, ein Ibrahimovic, ein Elmander nicht zu sehen. In den letzten 30 Minuten haben wir dann unheimlich viel falsch gemacht.

Frage: Können Sie das konkretisieren?

Löw: Wir hatten eine große Unruhe in unserem Spiel, keine Ordnung, nicht mehr die Sicherheit am Ball. Symptomatisch war für mich ein Freistoß zwei Minuten vor Schluss in des Gegners Hälfte. Da spielen wir zwei Pässe und der Ball ist beim Torwart, anstatt dass wir zur Eckfahne laufen. Da ist vieles schief gelaufen, wir haben das Spiel nicht mehr in den Griff bekommen. Woran das lag, muss ich erst mal analysieren, um mich konkret zu äußern. 60 Minuten waren großartig, die letzten 30 Minuten unglaublich schwach. Dass wir uns so aus dem Rhythmus bringen lassen, habe ich nicht erwartet.

Frage: Wie war die Stimmung in der Kabine?

Löw: In der Kabine herrschte Totenstille. Alle lagen auf den Bänken und waren total sprachlos.

Frage: Haben Sie so etwas Ähnliches schon einmal erlebt?

Löw: Wir alle haben so eine Situation noch nicht erlebt. Es war ein ganz, ganz außergewöhnliches Spiel. Wir können daraus aber wahnsinnig viel lernen. Wir müssen daraus lernen, dass man so ein Spiel konsequent zu Ende bringt. Wenn wir konzentriert sind, spielen wir auf einem unglaublich hohen Niveau. Wenn wir nachlassen, dann passieren eben auch solche Dinge. Das soll uns eine Lehre sein, für alle Zeiten, dass man solche Dinge eben mit aller Konsequenz zu Ende bringt.

Frage: Haben sich Ihre Spieler vielleicht zu sicher gefühlt?

Löw: Wahrscheinlich begann das Problem irgendwo im Kopf.

Frage: Glauben Sie, dass die Aufarbeitung noch lange dauern wird?

Löw: Wir sind jetzt wahnsinnig enttäuscht, aber auch das wird uns nicht aus der Bahn werfen. Ich denke nicht, dass da was hängenbleibt. Die Mannschaft ist mit anderen Situationen, mit den Diskussionen im Vorfeld professionell umgegangen und hat sich nicht beeindrucken lassen. Natürlich muss man das analysieren und darüber sprechen. Aber ich denke, dass das ein Lernspiel war und wir die Lehren daraus ziehen und das in Zukunft besser machen.

Frage: Wie haben Sie die Gegentore gesehen?

Löw: Es war nicht die Schuld von einzelnen Spielern, man kann das auch nicht an individuellen Fehlern festmachen. Im gesamten Kollektiv ist nicht mehr so konsequent gearbeitet worden. Wir haben im Mittelfeld und vorne die Bälle verloren, wir haben nicht mehr die Ordnung herstellen können. Und die Defensive hängt immer an der gesamten Mannschaft. Es ist nicht mehr mit dieser Konsequenz nachgegangen worden.

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Monday 29 July 2013

Joachim Löw: "Daraus lerne auch ich", 22.10.2012

Joachim Löw hat sich mit ein paar Tagen Abstand und nach auskurierter Grippe zum 4:4 in der WM-Qualifikation gegen Schweden geäußert. Im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) nimmt der Bundestrainer zur Debatte um die Führungsspieler, zu eigenen Fehlern und zu seiner Motivation Stellung.

Frage: Joachim Löw, können Sie die Sorgen und Zweifel nach dem 4:4 gegen Schweden mit einigem Abstand nachempfinden?

Joachim Löw: Diese Debatten kann ich natürlich nachempfinden. Auch bei uns saß der Stachel tief. Wir konnten uns auch nicht vorstellen, dass wir nach so einem grandiosen Spiel einen 4:0-Vorsprung noch aus der Hand geben. Wir waren alle fassungslos.

Frage: Haben Sie die Enttäuschung schon einigermaßen verarbeitet?

Löw: Der Stachel sitzt jetzt nicht mehr so tief, weil wir natürlich darüber gesprochen haben und Lösungen finden müssen. Die Erkenntnis ist: Dieses unglaubliche Offensivpotenzial führt fast zwangsläufig auch zu Schwächen. Und diese Schwächen sind nicht erst jetzt, sondern schon im gesamten Jahr in Erscheinung getreten.

Frage: Sie haben nach dem EM-Aus von kleineren Korrekturen gesprochen, die nötig seien. Sehen Sie inzwischen Bedarf für größere Veränderungen?

Löw: Die aktuelle Situation hilft uns, die Weichen jetzt nochmals richtig zu stellen. Insofern hat es vielleicht auch etwas Positives. Das ist mir lieber, als wenn wir im Herbst 2013 feststellen müssen, dass wir in so eine negative Situation rutschen.

Frage: Was kann die Mannschaft aus so einem Spiel wie in Berlin mitnehmen?

Löw: Grundsätzlich wird die Mannschaft an so einer Situation auch wachsen. Lektionen, die auf dem Platz so eindringlich sind, daraus kann man auch wachsen. Das wird uns jetzt nicht mehr so passieren, da bin ich mir sicher. Bei der EM war es festzustellen, dass wir bis auf das Italien-Spiel eine gute Balance hatten. Gegen Österreich haben wir schon defensive Schwächen gehabt und mit Glück gewonnen. In diesem Maße wie in den letzten 30 Minuten gegen Schweden sind sie noch nicht zutage getreten.

Frage: Sehen Sie einen Rückschritt in der Entwicklung?

Löw: In einer Entwicklungsphase gibt es immer mal Rückschläge. Absolut. Wir haben ein unglaubliches Kreativ- und Offensivpotenzial wie vielleicht seit Jahrzehnten nicht mehr. Auf der einen Seite sollten wir darüber glücklich sein und es als große Chance begreifen, dass wir unsere gesamte Philosophie nach diesen Spielern ausrichten können. Aber diese Gegentore und Defensivschwächen kann auch ich nicht akzeptieren - und will ich auch nicht akzeptieren.

Frage: Was werden Sie ändern?

Löw: In den vergangenen beiden Jahre haben wir große Schritte gemacht im fußballerischen Bereich. Es hat zwar nicht zur Perfektion und zu einem Titel gereicht, aber man hat gesehen, dass wir fußballerisch mit den Besten mithalten können. Das halte ich schon für sehr positiv. Wichtig wird sein, dass wir an unserem Defensivverhalten weiter arbeiten.

Frage: Hat sich Ihr Vertrauen in die Spieler verändert?

Löw: Ich stehe zu dieser Generation mit all den Stärken und Schwächen, die wir im Moment haben. Das Potenzial ist hervorragend. Wie wir 60 Minuten gegen Schweden gespielt haben, das hat mich schon sehr zufrieden gestellt. Aber wir müssen natürlich auch an den Schwächen arbeiten, keine Frage. Es gab verletzungsbedingte Ausfälle von Spielern, die uns in so einem Spiel sicher gut getan hätten. Sami Khedira war verletzt, Mats Hummels, die beiden Benders. Es kommen junge Spieler nach, die gut sind, die sich gut entwickeln. Aber personell gesehen, haben wir alle Möglichkeiten und können uns das auch für die Zukunft ein Stück weit offen lassen.

Frage: Wie stellen Sie sich Veränderungen vor?

Löw: Da erwarte ich - da muss ich mir auch an die eigene Nase fassen -, dass wir an Lösungen arbeiten, dass wir nicht mehr in solche Situationen kommen. Vielleicht müssen wir einen Automatismus entwickeln: Was ist zu tun, wenn wir ein Spiel dominieren und dann einen Anschlusstreffer kassieren? Da haben wir in den letzten Spielen in der Tat gewisse Schwächen gezeigt. Wir haben den Gegner das eine oder andere Mal völlig unnötig wieder ins Spiel gebracht, obwohl wir so dominant waren.

Frage: Wie können solche Automatismen aussehen?

Löw: Wenn das Spiel zu kippen droht, dann müssen wir von außen, aber auch von innen Schlüsselpunkte hart einfordern: hinter den Ball, Grundordnung nicht verlassen, einzelne Aktionen wieder gewinnen, die Zweikämpfe wieder gewinnen - und das zum richtigen Zeitpunkt. Das müssen wir lernen.

Frage: Was hat im Rückblick gegen Schweden nicht funktioniert?

Löw: Unser Spiel ist aus den Fugen geraten, weil wir nur noch lange Bälle gespielt haben. Wir haben zum Torhüter zurückgespielt, wir hatten keine Ballsicherheit mehr. So hat es begonnen. Unsere Spieler haben sich im Gefühl des sicheren Sieges so eine zugespitzte Situation nicht mehr vorstellen können. Wir haben auch nicht geglaubt, dass sich Schweden noch in diesem Maße wehrt. Und dann haben wir zu untauglichen Mitteln gegriffen, um das Ruder noch herumzureißen. Wenn man aus so einer Euphorie kommt und eine sportliche Katastrophe verhindern will, dann muss man auch mal die einfachen Dinge wieder tun, die uns stark machen.

Frage: Auch an Sie gab es den Vorwurf, nicht reagiert zu haben. Können Sie das nachvollziehen?

Löw: Natürlich, absolut. Ich konnte auch nicht glauben, dass das Spiel kippt. Ich hätte in der Schlussphase mit einer Auswechslung ein Signal an die Mannschaft senden und noch etwas stoppen können. So etwas habe ich in 20 Jahren auch noch nicht erlebt. Daraus lerne auch ich. Mein Plan war zuerst, ballsichere Spieler zu bringen, um wieder die richtige spielerische Qualität zu haben und für Entlastung zu sorgen. Ich wollte die Schweden vom eigenen Tor weghalten. Aber das ist nicht aufgegangen. Also wäre es besser gewesen, den einen oder anderen Spieler für die Defensive einzuwechseln, der die Räume zumachen kann. Das ist natürlich auch der Vorwurf an mich.

Frage: Wie sehen Sie die Diskussionen um Ihre Führungsspieler?

Löw: Wir haben genügend Spieler, die eine Dominanz ausstrahlen. Das hat man in der Vergangenheit gesehen, das hat man auch jetzt wieder gesehen, in Irland und 60 Minuten gegen Schweden. Wir haben Spieler, die im Zweifelsfall auch gut dagegenhalten können. In der Situation haben sie das weniger umgesetzt. Das war mir schon bewusst. Daran gilt es, mit diesen Spielern auch zu arbeiten - dass wir genau dann, wenn die spielerische Ausrichtung nicht mehr so stimmt, auch ein positives, aggressives, dominantes Auftreten unter Druck zeigen. Man darf sich dann nicht so zurückziehen. Wir hätten diesem Druck standhalten können. Wir alle. Das war in diesen 30 Minuten nicht der Fall.

Frage: Nervt Sie diese Diskussion?

Löw: Diese Debatte über Führungsspieler und flache Hierarchien gibt es ja jetzt schon länger. Wenn man definiert, was einen Führungsspieler auszeichnet, dann wird man sehen, dass wir gute Führungsspieler haben. Da gehört ein großes Können und eine Akzeptanz bei den Mitspielern dazu. Das haben unsere Führungsspieler. Wenn man meint, dass uns derjenige fehlt, der dazwischenhaut, auf Freund und Feind einschlägt, um etwas zu bewegen - den haben wir nicht. Darüber bin ich aber auch nicht böse, weil solche Spielertypen auch mal viel kaputt machen können. Da ist dann der Schaden größer. Aber klar, wir müssen daran arbeiten, dass wir uns in bestimmten Situationen genau so verhalten wie in den ersten 60 Minuten. Aber ich vertraue diesen Spielern auch, weil sie dieses Können haben und auch die Akzeptanz bei den Mitspielern.

Frage: Werden Sie Ihren Führungsstil ändern?

Löw: Wir haben unsere Forderungen und Erwartungen immer deutlich genannt. Die Spieler wissen, was wir Trainer erwarten. Ich denke, den Weg kann man klar erkennen, sonst kann man auch nicht gegen Irland 90 und gegen Schweden 60 Minuten diesen Fußball spielen. Unser Umgang mit den Spielern ist von Respekt geprägt. Ich halte nichts von einem Ton wie auf dem Kasernenhof. Das entspricht auch nicht meiner Persönlichkeit. Ich will die Spieler mit einbeziehen. Wir setzen auf Kommunikation, natürlich geben aber wir die Richtung vor. Das haben wir die letzten Jahre auch kompromisslos gemacht, wenn es um die sportlichen Dinge ging. Daher bin ich von unserem Weg weiterhin überzeugt, den wir weiter gehen werden, ohne blind für Verbesserungen zu sein. Festzuhalten bleibt: Diese Mannschaft hat sich trotz allem hervorragend entwickelt.

Frage: Wie ist es um Ihre Kraft und Motivation bestellt?

Löw: Was die Kraft betrifft, ist es so, dass sich ein Trainer nach einem Turnier mit der Enttäuschung aus einer Niederlage und einer emotionalen Vollbelastung von zwei Monaten natürlich immer fragt: Was gibt es an neuen Impulsen, an neuen Ideen? Das ist eine unglaublich spannende Aufgabe mit diesen hervorragenden Spielern mit charakterlicher Klasse. Deswegen freue ich mich wahnsinnig, dass ich mit solchen Spielern arbeiten kann.

Frage: Nationalteammanager Oliver Bierhoff hat gemeint, dass sich auch die Teamführung hinterfragen müsse.

Löw: Das machen wir ja ständig. Unseren Entscheidungen gehen immer intensive Diskussionen voraus. Das hat nichts mit einem schlechten Spiel zu tun. Wir hinterfragen uns ständig, nach jedem Spiel. Wir machen Workshops, in denen wir ganz kontrovers diskutieren und uns hinterfragen. Mit manchen Dingen, die so dargestellt werden, bin ich nicht immer einverstanden. Dann heißt es: Ist der Bundestrainer beratungsresistent oder kann er keine Fehler zugeben? Wer mich kennt, weiß, dass ich zu meinen Fehlern stehe oder zu einer nicht aufgegangenen Strategie.

Frage: Wie gehen Sie mit den vielen Ratschlägen von außen um?

Löw: Selbst wenn die Vorschläge in eine völlig andere Richtung gehen, dann setzen wir uns auch damit intern auseinander und besprechen diese Ratschläge in unserem Trainerteam. Wir gehen nicht über alles hinweg. Ich finde es gut, wenn man es mir persönlich sagt und nicht über die Medien, aber selbst dann setzen wir uns mit manchen Dingen auseinander, greifen sie auf und prüfen sie selbstkritisch. Natürlich sind wir nicht frei Selbstkritik. Ist dieser Weg richtig? Was und wo können wir noch verbessern? Wir alle sind nicht fehlerfrei. Das wissen die Spieler, das wissen die Trainer. Ich persönlich bin immer gesprächsbereit.

Frage: Am 14. November steigt in Amsterdam das Länderspiel gegen die Niederlande. Wie sehen Sie den Stellenwert?

Löw: Erst mal ist es wichtig, dass die Mannschaft - auch mit den Spielern, die verletzt waren - zum Abschluss des Jahres zusammenkommt und man über das abgelaufene Jahr und das kommende spricht. Man muss natürlich auch noch einmal das 4:4 analysieren. Es muss auch das Bestreben sein, in diesem Prestigeduell ein gutes Spiel zu absolvieren, so wie es gegen Irland und 60 Minuten gegen Schweden war.

22 October 2012
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Bundestrainer Löw: "Unglaubliche Willenskraft", 09.10.2010

Nach dem souveränen 3:0 (1:0) gegen die Türkei in Berlin und dem dritten Erfolg im dritten Spiel der EM-Qualifikation zeigt sich Bundestrainer Joachim Löw zufrieden mit der Leistung seines Teams. Vor allem die "Willenskraft" der Spieler, die Partie unbedingt für sich zu entscheiden, hat dem 50-Jährigen imponiert. Im Interview spricht Löw zudem über den starken Bayern-Block und Torschütze Mesut Özil.

Frage: "Joachim Löw, die deutsche Nationalmannschaft hat den härtesten Konkurrenten Türkei mit 3:0 besiegt. Wie bewerten Sie das Spiel und das Ergebnis?"

Joachim Löw: "Die Situation war nicht einfach. Die türkischen Fans waren klar in der Überzahl, es war fast ein Auswärtsspiel für uns und deshalb auch eine besondere Drucksituation. Aber wir haben verdient gewonnen, auch wenn wir kurz nach der Pause zwei-, dreimal etwas Glück hatten. Da haben wir uns nicht gut befreit. Aber ich bin absolut zufrieden mit dem Spiel und dem Ergebnis."

Frage: "Was hat Ihre Mannschaft ausgezeichnet?"

Löw: "Sie hat eine top Laufleistung, einen tollen Einsatz und eine unglaubliche Willenskraft gezeigt. Ich muss der Mannschaft ein Kompliment aussprechen, dass sie nach den Anstrengungen bei der WM punktuell so eine Topform gezeigt hat."

Frage: "Viele Spieler, insbesondere die Bayern, hatten zuletzt in den Vereinen erhebliche Probleme. Wie ist dieser Umschwung im Nationaltrikot zu erklären?"

Löw: "Die Bayern-Spieler wie Lahm, Müller, Badstuber oder auch Klose haben bei der WM eine unglaubliche Energieleistung vollbracht. Sie hatten danach nur drei Wochen Vorbereitung. Da kann man nicht erwarten, dass sie permanent in Hochform sind. Sie sind aber erfolgsbesessen und zielorientiert und können auf den Punkt alles abrufen. Das hat bei ihnen auch in der Champions League geklappt. In der Bundesliga müssen sie es natürlich noch schaffen, bessere Leistungen zu bringen."

Frage: "Mesut Özil stand stark unter Druck, er wurde bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen. Wie zufrieden waren Sie mit seiner Leistung?"

Löw: "Er hat schon bei der WM gezeigt, dass er sich von außergewöhnlichen Situationen nicht beeindrucken lässt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er mehr angespannt war als sonst auch. Er wurde in der zweiten Hälfte wie auch Toni Kroos immer präsenter und hat sich immer besser bewegt. Beide haben sowohl defensiv als auch offensiv viel getan. Das Tor hat Mesut toll gemacht, das freut mich für ihn."

Frage: "Mit Heiko Westermann und Lukas Podolski auf der linken Seite dürften Sie allerdings nicht so zufrieden gewesen sein."

Löw: "Ich habe natürlich gesehen, dass es vor allem nach der Halbzeit dort den einen oder anderen Stellungsfehler gab und der ein oder andere Ball verloren wurde. Lukas ist nicht wie gewohnt ins Spiel gekommen, aber sein Laufpensum war enorm."

9 October 2010
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Sunday 28 July 2013

Löw: "Die Gastfreundschaft war überwältigend", 07.10.2010

Am Freitag (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) in Berlin will Joachim Löw mit der deutschen nationalmannschaft die Türkei im EM-Qualifikationsspiel besiegen. Das ändert nichts daran, dass der Bundestrainer jenem Land, in dem er vor zwölf Jahren eine Saison als Gastarbeiter verbrachte, immer noch herzlich zugetan ist. Für DFB.de schreibt Löw seine Erinnerungen auf.

"Das Länderspiel gegen die Türkei ist für mich indirekt auch eine Begegnung mit meiner Vergan­gen­heit. Denn in der Saison 1998/1999 habe ich dort ein unvergessliches Jahr erlebt, als ich bei Fenerbahçe unter Vertrag stand. Noch ein Jahrzehnt danach denke ich sehr, sehr gerne an diese Zeit. Der Aufenthalt in Istanbul und die Reisen durchs Land waren für mich als Trainer und Mensch eine wertvolle Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte.

Denn in der Türkei ist die Fußball-Begeis­terung riesig. Überall, wo man hinkommt, werden alle Fach­sim­peleien sofort mit größter Leidenschaft geführt. Natürlich konnte ich das in Istanbul besonders intensiv erleben. Denn durch die Rivalität der drei Klubs Fenerbahçe, Galatasaray und Besiktas ist die Stadt praktisch jeden Tag im Fußballfieber.

Doch auch in allen anderen Teilen des Landes ist Fußball ein wichtiges Gesprächs­thema. Für mich als Fenerbahçe-Trainer war es dabei immer wieder aufs Neue eine Überraschung, wie groß der Rückhalt und die Sympathie für unseren Verein bei Auswärts­spielen waren. Da war es keine Seltenheit, dass in einem Stadion mit einem Fassungs­ver­mögen von 30.000 Zu­schau­ern zwischen 20.000 und 25.000 Anhänger unser Team frenetisch anfeuerten. Selbstverständ­lich waren wir davon sehr angetan.

Generell gilt in der Türkei, dass der positive Fanatismus der Menschen wirklich etwas Außergewöhnliches ist. Denn die Fans begleiten ihren Klub, dem sie im wahrsten Sinne des Wortes ihr Herz geschenkt haben, ein Leben lang in guten und in schlechten Zeiten. Wenn etwa in Istanbul das äußerst stimmungsvolle Derby zwischen Galatasaray und Fenerbahçe ansteht, herrscht deshalb einige Tage vor und nach dem Spiel förmlich Aus­nahme­zustand in der Stadt. Die Brisanz des Auf­ein­ander­treffens zweier Topteams und die Erwartungs­haltung an deren Stars führen da zu Endlos-Diskussionen in der Familie und in Restaurants, mit dem Taxifahrer und auf dem Markt, denen sich kaum jemand verschließen kann.

Ich könnte aus meiner Zeit am Bosporus viele Anekdoten rund um den Fußball erzählen. Stattdessen möchte ich hier aber den Blick darauf lenken, wie überwältigend ich die Gastfreundschaft in der Türkei empfunden habe. Täglich habe ich die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Men­schen als etwas Wesent­liches im Alltag erlebt. Und ich bin mir sicher, es lag nicht nur an meiner Popularität als Trainer und dem hohen Stellenwert des Fußballs im Land.

Natürlich habe ich während meines Aufenthalts die Gelegen­heit genutzt, die türkische Kultur und die Mentalität der Bevölkerung kennenzulernen. Dies war für mich umso interessanter, da ich im asiatischen Teil der Stadt gelebt habe, weil eben Fenerbahçe dort seine Wurzeln und bis heute seine sportliche Heimat hat. Das Gemeinschaftsgefühl in den Familien war bei meinen Begegnungen mit den Fans beispielsweise eine Beobachtung, die ich ständig machen durfte. Ich konnte mich jedenfalls bestens mit der südländischen Lebensweise anfreunden und habe die Zeit am Bosporus genossen, weil ich dort überaus freundlich aufgenommen wurde.

Sportlich ist die heutige Begegnung für mich als Bundes­trainer das zweite Länderspiel gegen die Türkei. Erstmals führte uns der gemeinsame Weg bei der EURO 2008 ins Halbfinale in Basel, und nach einem 3:2-Sieg, bei dem Bastian Schweinsteiger, Miro Klose und Philipp Lahm unsere Tore erzielten, konnten wir den Einzug ins Endspiel in Wien bejubeln. Nun folgt in Berlin wieder ein interessantes Prestigeduell, denn die Türkei ist unser größter Kon­kurrent in der EM-Qualifikation 2012. Da ich mich gerade bei solchen Begegnungen äußerst wohlfühle, freue ich mich auf das Wieder­sehen mit den türkischen Freunden sowie auf ein spannendes und attraktives Auf­einander­treffen.

Die Türkei ist dafür bekannt, dass sie fußballerisch starke Einzelspieler hat. Das Markenzeichen ihres neuen Trainer Guus Hiddink ist es, gezielt taktische Impulse zu setzen und das Mannschaftsgefüge clever zu organisieren. So gesehen wird sich das Team, das nicht nur bei der EM 2008, sondern außerdem bei der WM 2002 im Halbfinale stand, heute mit Sicherheit von seiner besten Seite zeigen. Zumal viele Türken in Berlin ihr Zuhause haben und daher die Stimmung im Olympiastadion davon geprägt sein wird, dass die Gäste von ihren Landsleuten enthusiastisch unterstützt werden.

Für eine reizvolle Atmosphäre ist also vom Anpfiff an gesorgt. Bei allem sportlichen Ehrgeiz beider Teams habe ich jedoch den großen Wunsch, dass Fairplay auf dem Rasen und den Rängen dominiert und wir alle an diesem Abend ein friedliches Fußball-Fest feiern werden."

7 October 2010
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