Thursday 9 January 2014

Löw: "Konkurrenzkampf ist noch nicht vorbei", 30.05.2012

Seit acht Jahren arbeitet Joachim Löw mittlerweile für den DFB. Er hat drei große Turniere miterlebt, das erste als Assistent von Jürgen Klinsmann, zwei davon in Verantwortung als Bundestrainer, zwei dritte und ein zweiter Platz stehen in seiner Bilanz. Bei der EM in Polen und der Ukraine will sich das Team nun den Traum vom ersten Titelgewinn erfüllen.

Mit dem Spiel am Donnerstag (ab 20.30 Uhr, live in der ARD) gegen Israel gehen die Trainingslager zu Ende, nach Stationen auf Sardinien und in Südfrankreich kehrt die DFB-Auswahl nach Deutschland zurück. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke zieht Löw eine Bilanz der Vorbereitung und spricht über die Entwicklung der Mannschaft seit der WM 2010.

DFB.de: Herr Löw, wie fällt Ihr Fazit nach den beiden Trainingslagern auf Sardinien und in Südfrankreich aus?

Joachim Löw: Wir haben die Zeit optimal genutzt. Sowohl auf Sardinien als auch in Südfrankreich haben wir unter perfekten Bedingungen intensiv arbeiten können. Wir wussten vorher, dass wir die Mannschaft nicht die gesamte Zeit beisammen haben würden. Darauf haben wir uns eingestellt und in der Trainingssteuerung entsprechend reagiert. Es hatte sogar Vorteile, dass die Gruppe zu Beginn recht klein war. Für die Weiterentwicklung einzelner Spieler war es gut, dass wir uns ganz gezielt und individuell um sie kümmern konnten. Insgesamt bin ich sehr zufrieden. Die Mannschaft hat sich vorbildlich verhalten, alle waren sehr professionell. Wir haben geschafft, was wir schaffen wollten: Wir haben den Grundstein für die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine gelegt.

DFB.de: Wenn Sie die aktuelle Vorbereitung mit der aus dem Jahr 2010 vor der WM in Südafrika vergleichen – welche Gemein samkeiten erkennen Sie, welche Unterschiede gibt es?

Löw: Es gab durchaus neue Dinge, die wir dieses Mal haben einfließen lassen. Neue Übungen, neue Reize, neue Methoden. Und wir haben neue Spieler dabei. Rein fußballerisch gesehen, von der Taktik her, geht es in der Trainingsarbeit nur noch um Nuancen. Wir haben 2010 an allen Bereichen unseres Spiels gearbeitet, wir haben jetzt an unserem Spiel gearbeitet. Schnelles Umschalten, gute Organisation, defensiv und offensiv. Die Themen sind gleich, nur das Niveau ist noch einmal anders, höher.

DFB.de: Die Trainingslager sind vorbei, wie werden die Tage in Polen im Team-Basecamp in der Nähe von Danzig vor dem Spiel gegen Portugal genutzt?

Löw: Es wird wichtig sein, dass wir in der Woche vor dem Spiel gegen Portugal in allen und zwischen den Mannschaftsteilen noch einmal an der Feinabstimmung arbeiten. Das muss noch besser werden, noch perfekter sozusagen. Aber im Vergleich zur WM in Südafrika beziehungsweise dem Vorfeld des Turniers haben wir mittlerweile eine größere spielerische Sicherheit. Wenn wir die Leistung abrufen, die wir in den vergangenen zwei Jahren oft gezeigt haben, dann sind wir sehr, sehr gefährlich.

DFB.de: Gab es auch in dieser Vorbereitung, ähnlich wie im Jahr 2010, Augenblicke im Training, in denen Sie sich mit Ihrem Assistenten Hansi Flick angeschaut und gedacht haben: „Das könnte richtig gut werden“?

Löw: 2010 haben wir uns über die immense Steigerung im Vergleich zur EM 2008 gewundert. Wir waren vom Tempo und von der Qualität sehr angetan, es gab einige Augen blicke, die beeindruckend waren. Heute gibt es diese Momente auch, sie sind aber individueller. Wir haben hier junge Spieler dabei, die zu Aktionen in der Lage sind, die uns absolut begeistern. In puncto Tempo, in puncto Selbst bewusstsein, in puncto Selbstverständlichkeit. Es ist erstaunlich, welche spielerische Intelligenz unsere jungen Spieler haben. Es erfreut uns immer wieder, dies zu sehen. Es gab einige Trainingseinheiten, in denen das Niveau extrem hoch war.

DFB.de: Sie haben die Spieler des FC Bayern jetzt ein paar Tage beobachten können. Ist die Niederlage im Finale der Champions League gegen den FC Chelsea vollständig aus den Köpfen?

Löw: Ja. Ihnen haben die paar Tage Abstand sehr gut getan. Die Spieler haben neue Kraft gefunden, neue Motivation. Das neue Ziel hat sich in ihren Köpfen festgesetzt und alle negativen Gedanken überlagert. Sie wollen die Saison unbedingt positiv abschließen, sie wollen diesen großen Erfolg. Ich bin mir sicher, dass sie alles für den Titel tun werden. Ich kenne Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm jetzt schon seit einigen Jahren. Ich weiß, wie professionell und erfolgsbezogen sie sind. Sie sind in der Lage, den Schalter wieder umzulegen. Alle Bayern-Spieler können das.

DFB.de: Am Donnerstagabend spielt Ihre Mannschaft gegen Israel. Wie wichtig ist es, dass das Team mit einem positiven Erlebnis die Reise zum Turnier antritt?

Löw: Vor der WM 2010 haben wir in Frankfurt gegen Bosnien- Herzegowina 3:1 gewonnen. Wir haben damals gut gespielt, waren vor allem in der zweiten Halbzeit sehr stark. Uns hat dieses Spiel für die letzte Woche vor dem Turnierstart noch einmal Selbstvertrauen gegeben, das uns zusätzlich beflügelt hat. Dies erwarte ich mir auch von dem Spiel gegen Israel, die Mannschaft soll sich selbst das Signal geben, dass wir startbereit sind. Außerdem wollen wir uns mit einer guten Leistung aus Deutschland und von unseren tollen Fans verabschieden.

DFB.de: Ist das Spiel auch wichtig, um noch einmal taktische Dinge auszuprobieren. Oder um neue Erkenntnisse bezüglich personeller Entscheidungen zu gewinnen?

Löw: Schon. Für uns geht es in jedem Spiel darum, an den Feinheiten zu arbeiten und die Abstimmung zu verbessern. Es kann auch sein, dass ich im Laufe des Spiels noch einmal einige Spieler einwechsle und teste. Der Konkurrenzkampf ist noch nicht vorbei.

30 May 2012
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