Frage: Herr Löw, wie bewerten Sie den gelungenen EM-Auftakt Ihrer Mannschaft?
Joachim Löw: Der Start in eine EM ist wie ein Formel-1-Rennen, nur ohne eine Warm-up-Runde. Es geht sofort in die Vollen, man muss sofort da sein, ohne dass man sich vernünftig warmmachen kann. Gegen Portugal ging es für uns nach der etwas holprigen Vorbereitung in erster Linie um das Ergebnis, um die drei Punkte. Wichtig für das Turnier ist es, dass wir nicht der Musik hinterherlaufen müssen.
Frage: Warum konnte Ihre Mannschaft noch nicht die von Ihnen erhoffte Sicherheit ausstrahlen?
Löw: Nach dem Ergebnis zwischen den Niederlanden und Dänemark waren beide Mannschaften etwas angespannt, denn der Verlierer hätte dann gleich eine K.o.-Situation vor sich gehabt. Dshalb ging es auch darum, ein Gegentor unbedingt zu vermeiden. Keiner wollte in Rückstand geraten. Zudem gehört Portugal zu den besten Mannschaften in Europa, das haben sie auch gegen uns gezeigt. Das Spiel war insgesamt sehr vom Taktischen geprägt, beide Teams haben gut verteidigt.
Frage: Was hat Ihnen am Spiel Ihrer Mannschaft besonders gut gefallen?
Löw: Wir haben in der Defensive viel kompakter gestanden als zuletzt in den Testspielen, wir waren insgesamt sehr wachsam. Die Innenverteidigung stand sehr sicher, auch Jerome Boateng und Philipp Lahm auf den Außenpositionen haben ihre Sache sehr gut gemacht. Boateng hat Cristiano Ronaldo weitestgehend im Griff gehabt. Aber alle Abwehrspieler waren sehr präsent in den Zweikämpfen.
Frage: Was hat Ihnen nicht so gefallen?
Löw: Wir hätten einige Angriffe besser durchspielen können, aber das wird noch kommen. Wir müssen insgesamt noch zielstrebiger werden und uns noch mehr Chancen herausarbeiten. Da bin ich aber zuversichtlich, denn für uns hat das Turnier jetzt richtig begonnen. Der Sieg wird uns auch Sicherheit in unserem Spiel nach vorne geben.
Frage: Sie haben mit zwei Personalentscheidungen überrascht. Warum haben Sie sich im Sturm für Mario Gomez und in der Innenverteidigung für Mats Hummels entschieden?
Löw: Die Entscheidung zugunsten von Gomez stand schon zwei, drei Tage fest. Darüber hatte ich auch mit Miroslav Klose gesprochen. Ihm fehlten zuletzt noch einige Prozent, obwohl er ähnlich wie Mertesacker im Training sehr gut gearbeitet hat und jetzt wieder voll auf der Höhe ist. Aber Gomez hat das ganze Jahr gespielt und sehr viele Tore gemacht. Und seine Klasse hat er auch gegen Portugal bewiesen. Eine Chance, ein Tor - das spricht für seine besondere Qualität. Hummels hat den Vorzug erhalten, weil er mit Rückenwind und Spielpraxis aus der Saison kam. Per fehlte zuletzt die Wettkampfpraxis.
Frage: Ist der Eindruck richtig, dass Sie Gomez kurz vor seinem Treffer eigentlich schon gegen Klose auswechseln wollten?
Löw: Ja, das stimmt. Das war so die Zeit zwischen der 70. und 75. Minute, wo man als Trainer was machen will. Mario hatte viel Laufarbeit verrichtet, hatte Pepe ständig unter Druck gesetzt. Er schien mir etwas müde. Wir wollten ihn in der Tat zwei Minuten vor seinem Tor auswechseln. Ich muss mit dem vierten Schiedsrichter noch mal hart ins Gericht gehen. Aber er hat so lange gebraucht, das anzuzeigen. Mario hat dann das Tor gemacht, so dass wir noch ein bisschen gewartet haben.
Frage: Wie hat Ihnen Bastian Schweinsteiger gefallen? Löw: Bastian ist sehr wichtig für die Mannschaft. Er war von Beginn an der Organisator und war gemeinsam mit Sami Khedira sehr präsent im Mittelfeld. Man darf nicht vergessen, dass er in der Endphase der Saison sehr viel gespielt hat, zuletzt sogar noch 120 Minuten im Finale der Champions League.
Frage: Am Mittwoch steht das zweite Gruppenspiel gegen den Erzrivalen Niederlande auf dem Programm. Was hat sich nach der 0:1-Niederlage der Niederländer gegen Dänemark an der Ausgangslage geändert?
Löw: Mir wäre es lieber gewesen, wenn dieses Spiel unentschieden geendet hätte. Die Niederlande stehen jetzt mit dem Rücken zur Wand, sie müssen voll auf Sieg spielen. Das macht die Partie nochmal ein Stück brisanter und für uns noch schwieriger als ohnehin schon erwartet.
10 June 2012
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